Sprachbar
Gebildet
Bildung ist …? Vielleicht werden Gebildete, die Bildung mit dem Löffel gegessen haben, die Antwort auf die Frage wissen. Und Ungebildete werden ihren Bildungshorizont bildungshungrig erweitern, um sie zu beantworten.
Wer diese Sprachbar zu Ende gehört oder gelesen hat, kann sich gegen eines bestimmt nicht wehren: dass er – zumindest ein bisschen – gebildeter ist. Denn genau darum geht es: um die Bildung. Was für ein Stichwort! Wie viele Debatten und Diskussion wurden und werden nicht über dieses Thema geführt, in manchen Ländern der Erde mehr, in anderen vielleicht weniger? Mancherorts werden Bildungsgipfel einberufen, bei denen wichtige Leute endlos darüber beraten, wie man am sinnvollsten in Bildung investiert und eine Bildungsgerechtigkeit herstellt, damit wirklich jeder in der Gesellschaft Zugang zur Bildung hat. Einig sind sich alle: Gute Bildung ist unverzichtbar! Jeder Mensch sollte ein Recht auf Bildung haben!
Löffelweise Bildung für Eingebildete
Bildung: Dabei handelt es sich um eine unendliche Geschichte – nicht nur in der geschichtlichen Entwicklung der Bildung. Wer zum Beispiel zum Bildungsbürgertum gehört, hat eine andere Meinung zu dem Thema als jemand, der nicht zu diesem elitären Kreis von Akademikern gehört. Mancher Zeitgenosse bildet sich gar ein, er wisse alles. Er findet sich dann selber wahnsinnig gebildet, doch in Wirklichkeit wirkt er nur eingebildet.
Diese Menschen, die sprichwörtlich die Bildung mit dem Löffel gegessen oder gefressen haben, sind ziemlich unbeliebt. Denn sie fangen zu jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit an, mit ihrem Wissen anzugeben. In den verschiedenen Bildungseinrichtungen, Schulen oder Universitäten zum Beispiel, werden sie spöttisch als Streber bezeichnet. Obwohl die ursprüngliche Bedeutung des Wortes einbilden gar nicht so negativ war: es war etwas, das man sich einprägte.
Lernen und Lehren das einzig Wahre?
Wer das Wort Bildung hört, hat meist das Bild eines Lehrers im Kopf, der versucht, den Schülern irgendeine komplizierte Matheformel an der Tafel zu erklären. Doch ist das wirklich alles, was Bildung ausmacht? Besteht Bildung wirklich nur aus Lernen und Lehren?
Der chinesische Philosoph Konfuzius sagte zum Beispiel einst: „Nehmen wir an, jemand kann alle dreihundert Stücke des Buchs der Lieder auswendig hersagen. Wird ihm aber eine verantwortungsvolle Aufgabe übertragen, dann versagt er.“ Ist dieser Mensch dann wirklich gebildet? Denn was bringt ihm dieses Wissen, welchen Nutzen hat es, wenn er es nicht anwenden kann? Ist es da nicht besser, nach einem chinesischen Sprichwort zu handeln, das heißt: „Lehre deinen Nachkommen die beiden wahren Wege: Bildung und Landbau.“?
Bildungshungrig
Bildung ist notwendig, völlig ohne Frage. Nur gut ausgebildete Menschen bekommen gute Arbeitsplätze, ungebildete eher selten. Ein Mensch ohne Bildung ist – so will es ein altes deutsches Sprichwort – wie ein Spiegel ohne Politur. Wer gebildet sein will, muss also ordentlich polieren. Aber nicht jeder, der sich bilden will, hat die Möglichkeit dazu. Denn die Bildungsmöglichkeiten sind ungleich verteilt – in entwickelten Ländern sind sie besser als in unterentwickelten, in der Stadt besser als auf dem Land.
Sich bilden kann man nicht nur in Institutionen wie Schulen und Universitäten, sondern auch in Museen, Theatern und Opern. Auch sie sind eine Form der Bildung. Nicht zu vergessen: Bücher. Wer viel liest – so sagt man–, ist gebildet. Und diejenigen, die bildungshungrig sind, verschlingen die Bücher, natürlich bildlich gesprochen! Wer seinen Bildungshorizont ständig erweitern will, unternimmt noch viel mehr. Er will immer Neues dazulernen, neue Bücher lesen, neue Sprachen lernen, neue Länder bereisen, neue Menschen kennenlernen, und, und, und…
Bildung = Bilden
Von Geburt an werden wir im doppelten Wortsinn gebildet, geformt wie eine Statue durch einen Künstler, der ihr irgendwann den letzten Schliff gibt. Wir lernen zu sprechen, zu laufen und uns eigenständig anzuziehen. Dann gehen wir in die Schule und lernen das Lesen, Schreiben und Rechnen, den Umgang mit Mitschülern und Autoritätspersonen.
Es wird immer anspruchsvoller – bis wir vielleicht eine Universität besuchen. Unser Bildungsweg ist lang und auch nach der Universität noch nicht zu Ende. Wir bekommen jeden Tag neue Bildungschancen, egal in welchem Bildungssystem wir aufgewachsen sind.
Der zweite Bildungsweg
Auch als Erwachsener haben wir die Möglichkeit, uns weiterzubilden, indem wir auf Fortbildungen gehen. Dort bildet uns dann jemand in einem bestimmten Bereich noch mal zusätzlich aus – wir eignen uns noch mehr Wissen an. Oder wir machen unseren Schulabschluss auf dem zweiten Bildungsweg – zum Beispiel in der Abendschule –, weil wir zu einem bestimmten Zeitpunkt keine Lust mehr auf schulische Bildung hatten.
Unser Leben scheint sich also um Bildung zu drehen. Wie gut ist es doch, dass wir sie haben! Denn hätten wir uns nicht weitergebildet, würden wir womöglich immer noch in Höhlen leben und Wände bemalen – was übrigens die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs Bildung ist: ein geschaffenes Bildnis. Erst im 18. Jahrhundert taucht er In Deutschland als pädagogischer Begriff auf.
Verbildet?
Nach so viel Bildung bleibt eine Frage übrig: Gibt es ein Zuviel? Kann jemand verbildet sein? Die Alltagssprache lässt den Begriff zumindest zu. Eine mögliche passende Antwort hat der englische Politiker George Savile, Marquess of Halifax gegeben. Er soll den Satz geprägt haben: „Bildung ist das, was übrig bleibt, wenn man alles vergessen hat, was man gelernt hat.“